Geschichte des Orchestervereins Arlesheim


Jubiläum 100 Jahre Orchester Arlesheim — 1913-2013

Gründung
Es war der 17. März 1913, als sich eine kleine Schar von Musikbeflissenen zusammenschloss, um den Orchesterverein Arlesheim ins Leben zu rufen mit dem Zweck, sich durch

„regelmässige Übung zum Vortrag klassischer und neuerer Orchesterstücke vorzubereiten und Konzerte zu veranstalten, zu welchen in erster Linie einheimische Kräfte und die bestehenden anderen musikalischen Vereine der Ortschaft beizuziehen sind“.

Unter der Leitung von "Fräulein" Marguerite Alioth versammelten sich die Mitglieder zu wöchentlichen Proben. Der Jahresbeitrag wurde statutarisch bei mindestens CHF 2 für die Aktiven resp. CHF 4 für Passivmitglieder festgehalten.

Vereinsleben
In diesen Zeiten nahm das Vereinsleben einen grossen Stellenwert ein. So kam es vor, dass Musizierende gleichzeitig in bis zu 20 Vereinen und Kommissionen tätig waren. Wen wundert es, dass immer weniger Aktive Zeit fürs Proben hatten. Weil eine Fusion mit dem Orchesterverein Dornach nicht zustande kam, beschloss man 1925 die Stilllegung des Orcherstevereins Arlesheim.

Im Herbst 1933 konnten die Proben mit rd. 30 begeisterten Mitspielern unter der Leitung von Max Schuurman wieder aufgenommen werden. Schon im April 1934 gab der aus dem Dornröschenschlaf erwachte Verein vor einem begeisterten Publikum in der voll besetzten reformierten Kirche erstmals wieder ein Konzert.

In der Folge erlebte der Orchesterverein eine wahre Blütenzeit und nahm einen hohen Stellenwert im Vereinsleben ein. Nebst den jährlichen 3 Konzerten wurden Wohltätigkeits- und Volkskonzerte veranstaltet. Kirchenchöre, Männer- und Frauenchöre erhielten vom Verein musikalische Unterstützung.

Kriegsjahre
Mit Ausbruch des Krieges sah sich der Orchesterverein in einer neuen Situation, denn durch die militärische Einberufung entstanden im Orchester grosse Lücken. Im Februar 1940 entschloss sich der Verein, in verkleinerter Formation einen ausschliesslichen Mozart-Abend zugunsten der Soldatenfürsorge durchzuführen in der Hoffnung, damit beitragen zu können, die Sorgen der Konzertbesucher vorübergehend in den Hintergrund zu rücken. In einem weiteren Konzert wurde der Kinderhilfe des Roten Kreuzes gedacht. An dieser Wohltätigkeitsveranstaltung kam u.a. Corellis Concerto Grosso Nr. 8 zur Aufführung.

Die 50-er Jahre
Nach Kriegsende pendelte sich der Mitgliederbestand bei rund 30 Aktiven ein, welche in der Regel 2 - 3 Konzerte jährlich zum Besten gaben.

Dass der Verein auch Tiefpunkte zu überwinden hatte, wurde nach dem Frühlingskonzert von 1951 deutlich, in welchem, neben Werken von Grieg und Tschaikowsky, auch solche moderneren Stils zur Aufführung gebracht wurden. Für diese Musik brachten nicht alle Zuhörer Verständnis auf und liessen ihren Ärger in einem geharnischten Artikel im Wochenblatt freien Lauf. Damit fühlte sich der Dirigent in seiner Person angegriffen, und der Vorstand hatte alle Hände voll zu tun, die Wogen zu glätten. Als die Proben nach der Sommerpause wieder aufge-nommen wurden, erlebte der Verein einen wahren Massenaufmarsch von Musikern, welche damit zum Ausdruck bringen wollten, dass sie auch bei auftretenden Schwierigkeiten den Mut und den Willen zum Durchhalten hatten.

Mit grossem Elan wandte sich der Verein wieder ausschliesslich der Musik zu. Ende Januar 1953 ereignete sich über Nacht die grosse Flutkatastrophe in Holland. Innerhalb von nur 6 Wochen stellte der Verein ein Wohltätigkeitskonzert mit Bachmusik auf die Beine, um Spenden der ins Leben gerufenen Hollandhilfe überweisen zu können. Auch des Kinderheims "Sonnenhof" wurde gedacht, als dieser eine Vergrösserung der Räumlichkeiten bedurfte.

Ende 1954 wurde Max Schuurman krankheitshalber gezwungen, nach 21 Jahren das Dirigentenpult zu räumen.

Von Felicani über Knüsel und Reinitzer bis Teutschbein
Rodolfo Felicani
In Rodolfo Felicani, Konzertmeister des Basler Kammerorchesters, fand der Orchesterverein einen würdigen Nachfolger. Er führte den Musikstil seines Vorgängers weiter und erntete ebenfalls grosse Anerkennung sowohl bei den Musizierenden als auch beim Publikum.
Höhepunkt in der Ära Felicani war zweifellos das Jubiläums- und zugleich Abschiedskonzert nach 20-jähriger Leitung. Der zuletzt in Arlesheim wohnhafte Komponist Albert Moeschinger (1897-1985) hatte explizit dem Orchesterverein und seinem Dirigenten Maestro Rodolfo Felicani eine Petite Suite gewidmet, welche an diesem Konzert uraufgeführt wurde.

Alfred Knüsel
1976 übernahm der an der Basler Musikakademie lehrende Cellist Alfred Knüsel die musikalische Leitung des Orchesters. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit versuchte er, eine engere Bindung zur Musikschule und zum Singkreis zu schaffen. Es gelang ihm, die jungen Kräfte zu mobilisieren und ins Orchester zu integrieren.

Dass Alfred Knüsel den Mut hatte, ausgetretene Pfade zu verlassen, zeigt sich, indem er, nebst den gut einstudierten Orchesterwerken, auch Rezitationen mit musikalischer Umrahmung in die Darbietungen einbezog. In seinem Abschiedsjahr 1989 wagte Alfred Knüsel mit dem Orchester zwei ganz spezielle Konzerte. Im ersten überraschte er das Publikum, als er eine Tanzgruppe auftreten liess. Beethoven lieferte dazu mit seiner Ballettkomposition die Musik für das Streichorchester, die mit modernen elektronischen Klängen kontrastierte. Im Adventskonzert wurde der Zuhörer auf subtile Weise mit einer fremden Kultur konfrontiert. Neben dem Orchesterverein trat eine Gruppe Musiker aus Sri Lanka mit traditioneller tamilischer Tempelmusik auf. Mit diesem Konzert schloss Alfred Knüsel seine 13-jährige, mit grossem und unermüdlichem Einsatz geleistete Tätigkeit als musikalischer Leiter des Orchestervereins ab.

Lukas Reinitzer
Jeder Wechsel am Dirigentenpult bringt etwas Neues mit sich. Der schon in jungen Jahren erfolgreiche Dirigent Lukas Reinitzer legte Werte auf den Ausdruck, die Energie, das Erleben der Musik. Locker sein, atmen, entspannen, über das rein Technische hinaus zu einem unmittelbaren Musikempfinden zu gelangen; das wollte er den Musizierenden übermitteln.

Dank Reinitzers guter Verbindungen, welche er mit Gastdirigaten hatte erwerben können, durfte der Verein 1994 den sich auf einer Tournee befindenden Radio- und Fernsehchor St. Petersburg mit grossem Erfolg an Konzerten in der Theodorskirche Basel und im Dom in Arlesheim musikalisch begleiten. Unter seiner Leitung kamen u.a. folgende bedeutende Werke zur Aufführung:
G.F. Händel, Oratorium Salomo mit dem English Chamber Choir
W.A. Mozart, Missa brevis G-Dur und B-Dur mit dem Colla Voce-Vokalensemble beider Hochschulen, Zürich
J.S. Bach, Drittes Brandenburgisches Konzert, Weihnachtsoratorium Teile I-III
Jos. Haydn, Die Jahreszeiten

Nach dem Weggang vom Lukas Reinitzer im Jahre 2006 leitete Bohdan Shved bis 2009 das Orchester. Ab 2010 stand der erfahrene Chor- und Orchesterleiter Markus Teutschbein am Dirigentenpult.

Mit rund 30 Vereinsmitgliedern werden heute jährlich 2 Konzertprojekte erarbeitet, welche jeweils im Januar und Juni zur Aufführung gelangen. Daneben erfolgen vereinzelte Kurzauftritte in kleinerer Besetzung zur musikalischen Untermalung des Arlesheimer Gemeindelebens.

Derzeit kämpfen Chöre wie Orchester ums Überleben. Umso stolzer sind wir, mit dem grossen Oratorium "Die letzten Dinge" von Louis Spohr im Juni 2013 das 100jährige Jubiläum des Orchesters Arlesheim feiern zu können.

Text von: Elisabeth Wartenweiler

1. Konzerteinladung nach dem "Dornröschenschlaf" aus dem Jahre 1934


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